Arlit und Akokan (Niger)

Die hochwertigsten Uranerze Afrikas werden in zwei Minenstädten in Niger am Rande der Sahara gefördert: In Arlit begannen Arbeiter im Jahr 1971 mit dem Uranabbau, drei Jahre später wurden die Bergarbeiten auch auf die nahe gelegene Stadt Akokan ausgedehnt. Heute ist die unterirdische Uranmine von Akokan die größte der Welt und Niger der Lieferant von etwa 7,5 % des weltweiten Uranerzes. Bis zum Jahr 2006 betrug die gesamte Fördermenge des Landes 100.000 Tonnen. Davon stammten 56 % aus unterirdischen Minen und 44 % aus dem Tagebau. Die Minen werden hauptsächlich von der französischen Firma AREVA betrieben, die in den vergangenen 40 Jahren das Uran aus Niger nahezu exklusiv für französische Atomkraftwerke und Atomwaffen fördern konnte. Das französische Staatsunternehmen bezieht schätzungsweise die Hälfte seines Urans aus dem Niger.

Über die Jahre haben sich in den beiden Minenstandorten riesige Berge von nahezu 35 Millionen Tonnen radioaktivem Abraum angesammelt – ungeschützt und den Winden der Wüste ausgesetzt. In der Nähe der Halden wird Gemüse angebaut, Kinder spielen im strahlenden Schutt. Durch Spaltprodukte wie Radium und Thorium mit Halbwertszeiten von vielen Tausend Jahren enthält der Abfall noch 85 % der ursprünglichen Radioaktivität.

Bis in die 1980er Jahre wurde den Minenarbeitern keine Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt. Ohne Masken, Handschuhe oder Dosimeter gruben sie in T-Shirts und kurzen Hosen nach Uranerz. Lokale Hilfs­organisationen geben an, dass die Werksärzte ein vermehrtes Auftreten von Krebsfällen in der Belegschaft und der Lokalbevölkerung zwar registrierten, jedoch nicht darauf reagierten. Obwohl zahllose Bergleute an Lungenkrebs erkrankten, wurde bis heute kein einziger Fall als Berufskrankheit anerkannt. Aufgrund der dauerhaften Strahlenexposition über radioaktiven Staub der Minenrückstände sowie einer zunehmenden Kontamination des Grundwassers sind auch die Bewohner der nahe gelegenen Städte betroffen. Im Jahr 2010 wurde ein großes Stück Land verseucht, als in der Nähe von Arlit etwa 200.000 Liter radioaktiv verseuchter Brühe aus einem Auffangbecken ausliefen. Unabhängige Untersuchungen zu den Auswirkungen der Radioaktivität auf die Gesundheit der Menschen in der Region wurden bislang nicht durchgeführt.

Organisationen wie Greenpeace, die französische Kommission für unabhängige Forschung und Information zur Radioaktivität (CRIIRAD) und das nigrische Netzwerk von Organisationen für Transparenz in der Rohstoffindustrie (ROTAB) führten 2010 allerdings Messungen von Boden-, Wasser- und Luftproben in Arlit und Akokan durch. Ihre Untersuchungen ergaben erhöhte Strahlendosen von bis zu 63 µSv/h – mehr als das 200-Fache der normalen Hintergrundstrahlung. Selbst wenn sich jemand nur eine Stunde täglich an diesem Ort aufhalten würde, hätte er über das Jahr gerechnet etwa eine um das Zehnfache erhöhte Strahlendosis. Auch in Luft- und Wasserproben wurde radioaktives Radon gefunden. Eine mit Unterstützung des EU-Parlaments durchgeführte Studie zeigte, dass radioaktiv verseuchtes Material zum Hausbau verwendet wurde. Zudem wurde kontaminiertes Altmetall aus den Minen auf lokalen Märkten angeboten. Diese beiden Vorgänge erhöhten zusätzlich die Exposition der Allgemeinbevölkerung mit Radioaktivität.

Während die Regierung Nigers die offensichtlichen Gesundheitsrisiken des Uranbergbaus abstreitet, plant sie derzeit im ganzen Land neue Minen zu eröffnen. Unternehmen wie AREVA, SinoU aus China, EPC aus Korea, OURD aus Japan und ENUSA aus Spanien kämpfen bereits um die Abbaurechte. Orte wie Imouraren, Abokorum, Madouela, Agadez und Azelik wurden schon zur Exploration vorgemerkt und könnten bald ähnliche ökologische und gesundheitliche Tragödien erleben wie Arlit und Akokan. Ein Grund, weshalb der Uranbergbau weiteren Anlass zur Sorge bietet, sind die ethnischen Konflikte der Region. Während Niger hauptsächlich vom Volk der Hausa beherrscht wird, das aus dem Süden des Landes stammt, liegen die Uranminen zumeist im Norden, in den Gebieten der Tuareg. Die Devisen aus den profitablen Uranexporten gehen an den produzierenden Regionen vorbei und werden von der Regierung benutzt, um die Aufstände der Tuareg zu bekämpfen. Dies trägt mit zu den wachsenden gewaltsamen Konflikten im Land bei. Möglicherweise ist es nur eine Frage der Zeit, bis um die Uranminen Kriege geführt werden. Das Nachbarland Mali ist ein besorgniserregendes Beispiel dafür. In Afrika werden immer mehr Menschen zu Opfern des Uranbergbaus – ihre Gesundheit leidet unter der Strahlenexposition, ihre Heimat wird radioaktiv verseucht und der Hunger der Atomindustrie nach billigen Rohstoffen befeuert regionale Konflikte. Auch diese Menschen sind Hibakusha: Ihrem Schicksal muss Gehör verschafft werden.

Einen guten Überblick verschafft der Bericht „Left in the Dust“ sowie das gleichnamige Video auf Youtube: www.youtube.com/watch?v=ioRtzOWm07A und das Video „Living near uranium mines in Niger“: youtu.be/C6eB-WkjBDw

 

 

 

 

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