1986 wurden 1.082 Menschen aus den Kreisen Bragin, Choiniki und anderen betroffenen Gebieten umgesiedelt. In das Dorf Buda-Ljuschevo kamen Menschen, die in der 20-Kilometer-Zone von Tschernobyl lebten. Sie waren unterschiedlich hohen Strahlendosen ausgesetzt.
Im Juni 1987 kamen zwei junge zwanzigjährige Frauen in die Entbindungsstation, die aus Sperizhe, innerhalb der 20-km-Zone, umgesiedelt worden waren: Alla und Olga.
Alla gebar nach neun Monaten Schwangerschaft einen Jungen mit beidseitigen Klumpfüßen (IV Stufe) und mit Veränderungen am Herzen.
Von Olga wird ein schönes dunkelhaariges Mädchen geboren. Es hatte eine tumorähnliche Formation im Kreuzbereich von der Größe eines Eies. Auf die Beine konnte es sich nicht stellen, ein verdeckter Bandscheibenvorfall, wie man der Mutter sagte. Die Mutter hatte von der Geburt ihres ersten Kindes geträumt. Sie hatte den Stress von Tschernobyl und die Umsiedlung überlebt, um nun die Nachricht verwinden zu müssen, dass dieses Kind als Invalide geboren wurde. Ich nahm alle Kraft zusammen und ging zur Mutter, zeigte ihr das Kind und bemühte mich, beruhigend und sanft zu fragen, ob sie vielleicht das Kind in ein Heim für Behinderte abgeben wolle. Die Mutter weinte und legte das Kind an die Brust. Das Kind begann an der Brust zu saugen und die Mutter drückte das Kind noch näher an sich heran.
In der folgenden Zeit wurden viele Kinder mit Missbildungen und Krankheiten geboren: mit Amputationsstümpfen der Glieder, mit fehlenden oder zusammengewachsenen Fingern, mit Hydrocephalus (Hirnödemen), mit Spalten des harten oder weichen Gaumens, der Lippen, mit Blindheit, Zerebralparese, mit Rückenmark-Hernien und mit angeborenen Herzfehlern. Aber von nicht einem einzigen Kind haben sich die Mütter getrennt. Tschernobyl hat den Kindern die Freude der Kindheit, das Glück der Jugend geraubt, hat das Leben der Eltern und der anderen Nahestehenden erschwert. Herausgebildet hat sich aber die große Herzensgüte der Menschen, vor allem der Mütter.
Die Schicksale der beiden Kinder haben sich unterschiedlich entwickelt. Der Junge mit dem Klumpfuß musste sofort nach der Entlassung aus der Geburtsstation des Krankenhauses Gipsstiefelchen tragen und sie regelmäßig wechseln, wodurch der Grad der Verformung der Fußknochen verringert wurde. Als er heranwuchs, hat er eine Serie schwerer Operationen unter Vollnarkose, Gips und Krankenhausaufenthalte erduldet. Er konnte nicht wie andere Kinder laufen, seine Beine waren nicht sehr folgsam und das Herz erlaubte keine hohen Belastungen. Zur Schule ging er ab dem 7. Lebensjahr. Er blieb von kleinem Wuchs, kränkelte oft. Er trug immer orthopädische Schuhe. Blond mit großen blauen Augen, mit einem Lächeln zur Begrüßung, war er schüchtern, hatte aber viele Freunde. Das Lernen in der Schule fiel ihm schwer. Die Freuden der Jugend konnte er nicht mehr kennenlernen. Im Alter von 20 Jahren entwickelte sich nach einer Grippe eine schwere Lungenentzündung und die Nieren erwiesen sich als überfordert. Es folgten zwei Jahre schmerzerfülltes Leben mit der Hämodialyse (3 Mal pro Woche in Gomel). Im Alter von 22 Jahren, am 12. November 2009, starb er.
Das Mädchen mit der geschlossenen Rückenmark-Diskushernie wurde in den neurochirurgischen Kliniken des Gomeler Gebietes und in Minsk untersucht. Eine chirurgische Behandlung erfolgte nicht. Sie wuchs zu einer Schönheit heran. Sie absolvierte in häuslichem Studium die Schule. Sie kann nicht laufen, bewegt sich in einem Rollstuhl. Seit Geburt ist die Funktion der Beckenorgane gestört. Das Mädchen hat Talent zum Zeichnen, Nähen, Sticken. In der letzten Zeit hat sie gelernt, den Computer zu nutzen.
Heute spreche ich nur von ein paar Kindern. Wie viele Kinder gingen durch das schreckliche Fließband der Leiden von Tschernobyl? Wie viele neue Opfer nahm Tschernobyl in all diesen 25 Jahren? Es ist kein Ende zu sehen.
Nach 25 Jahren bleibt das Gebiet extrem kontaminiert. Praktisch alle Menschen leben unter Bedingungen der externen und der internen Strahlenexposition durch die Verwendung der auf diesem Boden gewachsenen landwirtschaftlichen Produkte.
Es ist eine Zunahme aller Arten von Erkrankungen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen festzustellen. In der Epoche vor Tschernobyl waren 78 – 80% der Jungen zum Wehrdienst tauglich. Bei der Einberufung im Herbst 2010 wurden von 358 Wehrpflichtigen nur 139 Personen (38,8%) einberufen. Unter diesen jungen Männern haben noch einmal 34,6% einen Grad der Beschränkung für den Dienst.
Die Sterblichkeit wächst weiter, wohingegen die Geburtenzahl sinkt. Erwartet wird ein drastischer Rückgang bei der Zahl potenzieller Eltern, 14 – 15% der jungen Paare sind unfruchtbar.
Mit großem Schmerz im Herzen nahmen wir die Nachricht von den tragischen Ereignissen in Japan, in Fukushima, auf. Es fällt schwer sich vorzustellen, dass im Herzen des wunderschönen dicht bevölkerten Japan eine „Zone der Entfremdung und Aussiedlung“ entsteht. Es ist die Hilfe der ganzen Menschheit nötig, um die Folgen zu minimieren. Wie viel Geld wird benötigt, wie viele Menschenleben gingen verloren? Und die Verluste werden zunehmen. Kann man nach all dem über die Zulässigkeit und Attraktivität der „friedlichen“ Kernenergie sprechen?
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