Three Mile Island (Harrisburg), 28. März 1979

Das Atomkraftwerk Three Mile Island befindet sich etwa 16 km von Harrisburg, Pennsylvania entfernt und wurde 1978 in Betrieb genommen. Mehr als zwei Millionen Menschen lebten damals im Umkreis von 80 km. Am 28. März 1979 ereignete sich dort die bis dahin schwerste Katastrophe der zivilen Atomenergie. Eine Notklappe öffnete sich zur Druckentlastung, wodurch versehentlich große Mengen Kühlflüssigkeit freigesetzt wurden. Dies führte zu einer kritischen Überhitzung des Reaktorkerns und der berüchtigten Kernschmelze. Der Schutzmantel des Reaktors hielt dem enormen Druck stand, jedoch entwichen einige Tage lang große Mengen radioaktiver Partikel in die Atmosphäre und kontaminierten die Umgebung in Form von radioaktivem Niederschlag. Die beiden wichtigsten Spaltprodukte waren das gasförmige Krypton-85 mit einer Halbwertszeit von zehn Jahren, von dem etwa 1,59 PBq (1 Petabecquerel = 1 Billiarde Becquerel) entwichen und Jod-131 mit einer Halbwertszeit von acht Tagen, von dem ca. 740 GBq (1 Gigabecquerel = 1 Milliarde Becquerel) freigesetzt wurden.

Erst nach fünf Tagen konnten Techniker das Problem identifizieren, das Kühlsystem reaktivieren und den Reaktorkern verschließen. Zu diesem Zeitpunkt waren etwa 70 % des Reaktorkerns beschädigt und ca. 50 % des Atombrennstoffs geschmolzen. Um die 150.000 Liter an radioaktiv kontaminiertem Wasser zu entsorgen, welches durch die notfallmäßigen Kühlmaßnahmen angefallen war, traf die Atomregulierungsbehörde die umstrittene Entscheidung, die strahlende Brühe direkt in den Susquehanna-Fluss zu leiten.

Von Anfang an wurden die Nachrichten über die Kernschmelze in Three Mile Island von den Behörden verharmlost. Nach einigen Tagen wurden allerdings in vier angrenzenden Landkreisen erhöhte Strahlendosen gemessen. Die Atomaufsichtsbehörde behauptete, dass die erhöhte Radioaktivität relativ gering sei, beachtete dabei jedoch nicht die kumulativen Effekte der internen Verstrahlung durch inhalierte oder mit Nahrung und Trinkwasser aufgenommene radioaktive Partikeln. Auch wurden nie Feldstudien zur tatsächlichen Expositionsmessung durchgeführt. Nichtsdestotrotz wurde der Öffentlichkeit pauschal mitgeteilt, die freigesetzte Strahlung sei zu gering um gesundheitliche Folgen zu haben. Pennsylvanias Gouverneur Thornburgh ordnete dennoch die Evakuierung von mehr als 140.000 schwangeren Frauen und Kleinkindern aus der Region an. In den Landkreisen Dauphin und Lebanon, die sich in unmittelbarer Nähe des havarierten Atomkraftwerks befanden, zeigten Studien signifikant erhöhte Krebs- und Todesraten bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Von 1979 bis 2001 starben 120 Einwohner*innen dieser Landkreise vor dem 19. Lebensjahr an Krebs – 46 % mehr als im Rest von Pennsylvania.

Unmittelbar nach dem Unfall begann eine groß angelegte Vertuschungskampagne. Pennsylvanias Gesundheitskommissar MacLeod, der öffentlich vor einem signifikanten Anstieg von Schilddrüsenerkrankungen und Todesfällen bei Kindern warnte, wurde unmittelbar gefeuert. Steven Wing, Atomspezialist der University of North Carolina Chapel Hill, kritisierte eine weitreichende „Manipulation der Forschung“: Ein Gerichtsurteil verbot schlichtweg die Veröffentlichung missliebiger Schätzungen der freigesetzten Radioaktivitätsmenge, da diese der Atomindustrie wirtschaftlich schaden könnte.

Die Aufräum- und Dekontaminationsarbeiten der Atomkatastrophe von Three Mile Island dauerten insgesamt rund 14 Jahre und kosteten die amerikanischen Steuerzahler etwa eine Milliarde US-Dollar. Bis heute gibt es wenig unabhängige wissenschaftliche Forschung zu den Gesundheitsfolgen der freigesetzten Radioaktivität. Die Lobbyarbeit der Atomindustrie war weitgehend erfolgreich: Mehrere von der Industrie gesponserten Studien sprachen von geringen oder gar gänzlich ausbleibenden gesundheitlichen Folgen durch die Kernschmelze. Dieser Verharmlosung setzten Wissenschaftler wie Joseph Mangano vom „Bulletin of Atomic Scientists“ entgegen, dass überhaupt keine belastbaren Studien zu wichtigen Fragen wie der Kindersterblichkeit, der Auswirkungen radioaktiver Edelgase und der Folgen für die Bevölkerung außerhalb der 16-km-Grenze durchgeführt wurden. Unabhängige Untersuchungen der Kernschmelze von Tschernobyl konnten zeigen, dass freigesetzte Radioaktivität nach Atomunfällen schwerwiegende Folgen für die menschliche Gesundheit hat. Die Opfer von Three Mile Island sind ebenfalls Hibakusha – Leidtragende der unverantwortlich riskanten Atomindustrie.

Mehr zum Atomunglück in Three Mile Island auf der Seite „Hibakusha weltweit“

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