Majak/Kyschtym, 1949-2017

Die Produktionsgenossenschaft Majak war die erste und größte Atomindustrieanlage der Sowjetunion. Zwischen 1945 und 1948 wurden an diesem Standort zwischen Jekaterinburg und Tscheljabinsk fünf Atomreaktoren gebaut, um Plutonium für das sowjetische Atomwaffenprogramm herzustellen.

Von 1949 bis 1956 wurden insgesamt 100 PetaBecquerel (Petabecqerel = 1 Billiarde Becquerel) an radioaktivem Abfall in die Zuflüsse der Tetscha geleitet – unter anderem Strontium-90, Cäsium-137, Plutonium und Uran. Zudem kam es in Majak bis 1968 zu mindestens acht kritischen Unfällen. So führte die Ausbreitung von radioaktivem Staub aus der Atommülldeponie in Karatschai 1967 beispielsweise zu einer Kontamination von über 1.800 km2 mit Cäsium-137.

Der wohl folgenschwerste Unfall ereignete sich 1957 im 15 km entfernt gelegenen Kyschtym, als ein Container mit 740 PBq radioaktivem Abfall explodierte und eine Fläche von mehr als 15.000 km2 verseuchte. Nach Tschernobyl und Fukushima gilt dieser Unfall als drittschwerstes Atomunglück der Geschichte (Stufe 6 auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse INES).

Bleibende Folge der Katastrophe ist die mehr als 300 km lange und 30–50 km breite radioaktiv verseuchte „Osturalspur“, in der allein der Leukämie verursachende Stoff Strontium-90 Konzentrationen von bis zu 7,4 MBq/m2 (Mega = Million) erreicht. Zum Vergleich: Nach Tschernobyl wurden Gebiete mit mehr als 0,5 MBq/m2 Strahlenbelastung zur permanenten Sperrzone erklärt.

Die knapp 19.000 Arbeiter*innen, die bis 1973 in Majak angestellt waren, erhielten die höchste Strahlenbelastung durch die zahlreichen Unfälle. Die rund 10.000 Beschäftigten, die bereits vor 1959 in der Anlage arbeiteten, erhielten im Durchschnitt eine kumulative äußere Strahlendosis von 1.200 mSv. Diese Dosis entspricht in etwa 60.000 Röntgenuntersuchungen. Allein durch die externe Verstrahlung ist daher bei etwa zwölf Prozent der Beschäftigten mit der Entwicklung einer Krebserkrankung zu rechnen. Die Zahl wird jedoch vermutlich noch höher liegen, da die interne Verstrahlung ebenfalls einen Einfluss auf das Krebsrisiko hat.

Auch in jüngsten Jahren soll Radioaktivität aus der Anlage freigesetzt worden sein. Der jüngste Zwischenfall wurde 2017 berichtet, wo Ruthenium-106 ausgetreten sein soll. Fast 1.000-mal mehr als der erlaubte Wert wurde gemessen. Der russische Atomkonzern dementiert allerdings einen Zwischenfall.

Neben den Beschäftigten der Anlage bilden die knapp 300.000 Bewohner der kontaminierten Regionen die am stärksten betroffene Gruppe. Die geschätzte Kollektivdosis dieser Bevölkerung beträgt etwa 4.500 Personen-Sievert, etwa 60 % der Kollektivdosis des Super-GAUs von Tschernobyl. Menschen, die in der Nähe von Majak oder dem Fluss Tetscha lebten, waren aufgrund der radioaktiven Verseuchung ihrer Umwelt einer durchschnittlichen Lebenszeitdosis von1.700 mSv ausgesetzt.

Chronische Strahlenkrankheit und ein Anstieg der Fälle von Leukämien, Lungen-, Leber- und Knochentumoren konnten in der betroffenen Bevölkerung nachgewiesen werden. Auch zeigte sich ein zwei- bis fünffacher Anstieg in der Häufigkeit von Knochenmarksuppression, Chromosomenaberrationen sowie Tot- und Fehlgeburten. Aufgrund militärischer Geheimhaltung wurden die Menschen in der Region weder über die Gefahren informiert, noch das wahre Ausmaß der Kontamination und der gesundheitlichen Auswirkungen vollständig dokumentiert oder untersucht.

Bis heute sind ca. 14.000 Arbeiter in der Atomanlage von Majak beschäftigt, um Plutonium, Uran und andere Spaltprodukte herzustellen. Majak beherbergt zudem Russlands einzige atomare Wiederaufarbeitungs- und Müllverarbeitungsanlage. Der Großteil der abgerüsteten russischen Atomsprengköpfe landet irgendwann in Majak. Obwohl die Kontamination der Umgebung in den letzten Jahrzehnten auf etwa ein Drittel zurückgegangen ist, wird das Umland von Majak auch weiterhin noch als eins der am schlimmsten radioaktiv verseuchten Orte der Welt angesehen.

Mehr zur radioaktiven Verseuchung durch Majak Plutoniumsproduktionanlage auf der Seite „Hibakusha weltweit“

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