Emu Field, Maralinga und Montebello-Inseln, Australien

Britische Testgelände

Australiens Premierminister Robert Menzies gestatte Großbritannien 1952 ohne Abstimmung mit dem Parlament die Durchführung von Atomwaffentests auf australischem Boden. Nach den ersten britischen Atomwaffentests auf den Montebello-Inseln und in der Wüste um Emu Field, wurde im Mai 1955 der Ort Maralinga zum Britisch-Australischen Atomtestgebiet erklärt.

Emu Fields

Das Testgelände auf den Emu Fields wurde errichet, ohne dass eine Einwilligung durch die indigenen Bewohner*innen der Region, wie der Pitjantjatjara, Tjarutja und Kokatha Stämme, ersucht wurde. Die hiesigen Tests dienten dazu, die zulässige Höchstmenge an Plutonium-240 in einer Atomsprengladung zu bestimmen. Denn aufgrund eines Mangels an waffentauglichem Plutonium-239 versuchte das britische Militär, Atomsprengköpfe mit einem höheren Anteil an Plutonium-240 zu füllen. Zwar ist dieses günstiger und einfacher herzustellen als Plutonium-239, aber anfälliger für spontane Kernspaltung, so dass das Risiko einer unkontrollierten Kettenreaktion erhöht ist.

Am 15.Oktober 1953 wurde die Atombombe „Totem-1” über Emu Field gesprengt. Dabei entstand eine Wolke aus radioaktivem Staub, die bis zu 4.500 m hoch in den Himmel reichte. Diese Wolke wehte als „schwarzer Nebel” nach Osten und setzte die Bevölkerung der umliegenden Orte Coober Pedy, Twelve Mile, Coffin Hill, Ernabella, Kenmore Park, Granite Downs und Mabel Creek hohen Dosen ionisierender Strahlung aus. Als die radioaktive Wolke drei Tage später die australische Küste nahe Townsville erreichte, wurde in Emu Field mit „Totem-2” bereits die zweite Atombombe gesprengt, die diesmal eine 8.500 m hohe Wolke verursachte, die noch in 500 km Entfernung registriert werden konnte. Nach den Totem-Versuchen wurde Emu Field von der britischen Armee verlassen.

Die Atomexplosionen von Emu Field verseuchten die Wohngebiete der australischen Aborigines und hatten für diese besonders gefährdete Bevölkerung konkrete medizinische, psychologische und soziale Folgen. 1985 wurde eine Königliche Kommission einberufen, die die Auswirkungen der britischen Atomversuche in Australien untersuchen sollte. Im Abschlussbericht wurde festgestellt, dass Totem-1 bewusst unter solchen Windbedingungen gesprengt wurde, die unzumutbare Mengen an radioaktivem Niederschlag verursachen würden und dabei keine Rücksicht auf die „Downwinder” genommen wurde – die Menschen, die in Windrichtung des Testgeländes lebten. Die von der Armee durchgeführten Sicherheitsmaßnahmen wurden von der Komission als unzureichend erachtet. Der radioaktive Niederschlag, der in bewohnten Gebieten gemessen wurde, überstieg jegliche Grenzwerte und führte zu einer hohen radioaktiven Exposition der Aborigines.

Maralinga

In Maralinga wurden insgesamt sieben große Detonationen von Atombomben mit 1 bis 60 Kilotonnen TNT-Äquivalent durchgeführt. Zum Vergleich: Die Sprengkraft der Hiroshimabombe betrug etwa 14 Kilotonnen TNT-Äquivalent. Im Rahmen der Operation 'Buffalo' wurden 1956 vier Atombomben gezündet und Tiere, Soldaten und Zivilisten der Strahlung ausgesetzt. 1957 folgten die drei Detonationen der Operation 'Antler': es handelte sich um große Tests mit starkem radioaktivem Niederschlag, der große Teile des australischen Kontinents kontaminierte. Die offiziellen Strahlenmessungen waren unvollständig und wurden vor der Öffentlichkeit und teilweise sogar vor der australischen Regierung geheim gehalten.

Zusätzlich müssen etwa 600 kleinere Tests von Atomwaffenbestandteilen, die Verkippung überschüssiger radioaktiver Materialien, sowie die Folgen zahlreicher Unfälle mit in die Bilanz der Atomwaffentests einbezogen werden. Insgesamt wurden etwa 24,4 kg Plutonium, 101 kg Beryllium und 8.083 kg Uran bis zu 100 km mit dem Wind verstreut und verseuchten dabei eine Fläche von etwa 450 km2. 1967 wurden die Atomtests in Maralinga schließlich komplett eingestellt. Das Gelände konnte trotz zweier Sanierungsoperationen nicht ausreichend dekontaminiert werden.

Wie schon während der Atomwaffentests in Emu Field waren vor allem die australischen Aborigines der stärksten Strahlung ausgesetzt. Vor den Atomexplosionen wurde die Region von Pitjantjatjara und Yankunytjatjara bewohnt und von anderen Stämmen häufig durchquert. Im Rahmen der Atombombentests kamen viele von ihnen mit radioaktivem Niederschlag in Form von 'Schwarzem Nebel' in Kontakt. Warnschilder auf Englisch konnten die Aborigines gewöhnlich nicht verstehen. Untersuchungen über die gesundheitlichen Auswirkungen der Strahlung auf die indigene Bevölkerung scheiterten, da die untersuchten Personen nicht hinreichend identifiziert oder nachverfolgt wurden. Ein Dekontaminationseinsatz im Jahr 1990 versuchte, verseuchte Erde unter die Oberfläche zu graben, wirbelte dabei allerdings Tausende Tonnen radioaktiven Staub auf, der erneut verweht wurde.

Im Jahr 2009 wurde das unbewohnbare, kontaminierte Land rund um Maralinga symbolisch an das Tjarutja-Volk zurückgegeben. Eine Entschädigung ist für die meisten Betroffenen weiterhin nicht einklagbar, auch da sich die hohe bürokratische Beweislast zu ihren Ungunsten auswirkt. Krankenhausakten existieren oft nicht mehr und Aufzeichnungen über Strahlendosen unter den Veteran*innen sind unvollständig oder wurden aus den Archiven gelöscht. Für die indigene Bevölkerung sind die Hürden noch um ein vielfaches höher. Es wurden bis heute keine epidemiologischen Untersuchungen an den betroffenen Bevölkerungsgruppen durchgeführt und die britische wie die australische Regierung übernimmt keine Verantwortung für die gesundheitlichen Folgen der Atomwaffentests.

Unethische Forschung

Bei der Durchführung vieler Forschungs- und Überwachungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Fallout von Atomtests gab es gravierende Mängel in Bezug auf ethisches Verhalten, Achtung der Menschenrechte, Transparenz und Rechenschaftspflicht. Ein Beispiel in Australien ist ein groß angelegtes Programm zur Entnahme menschlicher Knochenproben zur Testung auf Strontium-90. Von 1957 bis 1978 wurden pathologische Abteilungen in Krankenhäusern dafür bezahlt, bei Autopsien teils recht große Knochenproben von rund 22.000 Leichen zu entnehmen, besonders bei Säuglingen und Kindern. In den 1950er und 1960er Jahren wurden die Proben für Tests nach Großbritannien oder in die USA geschickt (unter dem Namen „Project Sunshine”). Die Einwilligung der Familien wurde nicht eingeholt, diese wussten nichts von dem Programm oder der Tatsache, dass viele sterbliche Überreste ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung jahrzehntelang aufbewahrt wurden. Es gibt verstörende Berichte über Familien, denen der Zugang zu den Körpern ihrer toten Kinder verweigert wurde oder die sie nicht begraben konnten, nachdem Knochen entfernt worden waren, über Föten, die entsorgt wurden, und über Kinder, die anonym begraben wurden.

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